Der Tanz der Koperwasy e-book pdf
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Der Autor: Bernard Nowak
Der Titel: „Der Tanz der Koperwasy” – ebook pdf kaufen Sie jetzt
ISBN 978-3-95744-529-2
2015 Engelsdorfer Verlag Leipzig
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Der Autor: Bernard Nowak
Der Titel: Der Tanz der Koperwasy – ebook pdf kaufen Sie jetzt
ISBN 978-3-95744-529-2
© 2015 Engelsdorfer Verlag Leipzig
Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)
www.engelsdorfer-verlag.de
Übersetzung aus dem Polnischen von Zbigniew Wilkiewicz
Nachwort von Jarosław Cymerman (Tanz des Lebens und des Todes mit der Geschichte im Hintergrund)
Übersetzung des Nachwortes und redaktionelle Mitarbeit: Herbert Ulrich
Vom Autor
Wir saßen am Küchentisch und redeten über die Familie, die Kindheit, wie wir zur Tante gefahren sind, mehrmals umsteigen und auf den Zug warten mussten … An diesem Tisch fiel der erste Satz des Romans: »Tante Gienia starb viele Male.« Und so begann ich mit dem »Tanz« … Redend und lachend. Ich bekam Lust, Firlefanz zu schwatzen, an Familienmitglieder zu erinnern, über ihre gewöhnlichen und doch so unglaublichen Abenteuer zu lachen … Also, das ist in etwa diese Art von Literatur.
Diese Art der Improvisation, ein Sich-Erinnern an darauffolgende Geschichten aus langer Weile – was im Wesentlichen leicht ist, wenn man sich darauf einlässt, gleichsam mit der Forke hantiert und eine Garbe nach der anderen weiterreicht. Das ist die Grundlage der Literatur. Reden, ohne aus dem Rhythmus zu kommen oder denen die Arbeit zu komplizieren, die einem diese Garben abnehmen. Das ist so eine bäuerliche Metapher für das Schreiben. Danach braucht es nur noch Sorgfalt, um dieses Gerede nicht zu verlieren – und ein Stück zu erfinden, aus dem eine Wahrheit, an die wir nie gedacht haben, an die Oberfläche gelangt. Eine seltsame Wahrheit, aber eine seltsam wahre.
Biografische Anmerkung
Bernard Nowak, geb. 1950 in Kwidzyn (früher Marienwerder), verbrachte die ersten Lebensjahre in Malbork. 1959 zog die Familie in das Gebiet von Poznań. In Krotoszyn absolvierte er die Grundschule und das Gymnasium. Nach dem Abitur ging er nach Lublin und begann dort ein Polonistikstudium an der Katholischen Universität. Seine Diplomarbeit schrieb er über die faustischen Motive in W. Gombrowiczs »Tagebuch«. 1981 hielt er sich in Deutschland und Frankreich auf und kehrte kurz vor der Ausrufung des Kriegsrechts in die Volksrepublik Polen zurück. Er war Teilnehmer am Streik in der Hubschrauberfabrik Świdnik, dann Drucker und Herausgeber von Untergrundschriften, auch vielfacher Kurier nach Paris. 1988 gründete er mit Freunden den Verlag »Test«. Seit 1991 leitet er diesen Verlag selbst; bisher hat er etwa hundert Titel veröffentlicht.
1990 debütierte er als Prosaiker mit dem Roman »Cztery dni Łazarza« (»Die vier Tage des Lazarus«, Literarisches Institut Paris), im Jahre 2003 veröffentlichte er »Taniec Koperwasów« (»Der Tanz der Koperwasy«), 2006 »Smolice Nr. 86« und 2012 erschien sein Tagebuch »Wyroby duchowe« (»Geistige Produkte).
Des Weiteren war er Stipendiat des Kulturministers 2006 und 2011, Mitglied des Polnischen Schriftstellerverbandes und in den Jahren 2005 bis 2011 Vorsitzender der Lubliner Regionalabteilung des Verbandes.

Bernard Nowak – geb. 1950 in Kwidzyn (früher Marienwerder), verbrachte die ersten Lebensjahre in Malbork. 1959 zog die Familie in das Gebiet von Poznań. In Krotoszyn absolvierte er die Grundschule und das Gymnasium. Nach dem Abitur ging er nach Lublin und begann dort ein Polonistikstudium an der Katholischen Universität. Seine Diplomarbeit schrieb er über die faustischen Motive in W. Gombrowiczs „Tagebuch”. 1981 hielt er sich in Deutschland und Frankreich auf und kehrte kurz vor der Ausrufung des Kriegsrechts in die Volksrepublik Polen zurück. Teilnehmer am Streik in der Hubschrauberfabrik Świdnik, dann Drucker und Herausgeber von Untergrundschriften, auch vielfacher Kurier nach Paris. 1988 gründete er mit Freunden den Verlag „Test”. Seit 1991 leitet er diesen Verlag selbst; bisher hat er etwa hundert Titel veröffentlicht. 1990 debütierte er als Prosaiker mit dem Roman „Cztery dni Łazarza” („Die vier Tage des Lazarus”, Literarisches Institut Paris), im Jahre 2003 veröffentlichte er „Taniec Koperwasów” („Der Tanz der Koperwasery”), 2006 „Smolice Nr. 86” und 2012 erschien sein Tagebuch „Wyroby duchowe” („Geistige Produkte). Stipendiat des Kulturministers 2006 und 2011, Mitglied des Polnischen Schriftstellerverbandes, in den Jahren 2005-2011 Vorsitzender der Lubliner Regionalabteilung des Verbandes. |
RECENZJE KSIĄŻKI – BÜCHERBEWERTUNGEN:
RECENZJA
HENRYK BEREZA, „TWÓRCZOŚĆ” 2/3, 2004:
In unserem spontanen Gespräch über Bernard Nowaks „Tanz der Koperwasy” kehrten mehrfach die Worte wieder: ein magischer Roman. Die Gesprächspartnerin – eine hervorragende Schauspielerin und vortreffliche Leserin – sprach mit mir über ihre Lektüre von vor einigen Monaten. Sie hatte den Vorabdruck des Romans in der Zeitschrift „Twórczość” (2003 Nr. 4 und 5) gelesen, und ich hatte die Lektüre zweier Typoskriptversionen dieses Werkes, seines Erstdruckes sowie die – für künstlerische Werke – wichtigste Lektüre im Buch (Lublin 2003) hinter mir. Die lebendige Erinnerung an die verschiedensten Details der Narration im „Tanz der Koperwasy“ – dem zweiten Roman des Autors nach „Die vier Tage des Lazarus“ (Paris 1990) – imponierte mir bei meiner Gesprächspartnerin sehr. Das wundert mich nur deshalb nicht, weil ich die Reaktion einiger Personen nach dem Lesen des Erstdruckes kenne. Menschen, deren Lesen künst-lerische Literatur für mich besondere Bedeutung hat, offenbarten mir ihre außergewöhnlichen literarischen Emotionen. Im Namen der Wahrheit verschweige ich aber auch die Tatsache nicht, dass zwei oder drei Personen nicht damit hinterm Berg hielten, dass sie keine Lust zu dieser Lektüre hatten.

WAS IST BERNARD NOWAK PASSIERT? Für mich hat Bernard Nowak als Schriftsteller von der ersten Lektüre seines Typoskripts an zu existieren begonnen – markant und beständig durch alle seine Texte, die ich kenne, nicht unbedingt nur die künstlerischen, sondern auch die publizistischen sowie seine Erinnerungs- und Briefliteratur. Seinen schriftstellerischen Anteil erkenne ich auch in einigen seiner editorischen Unternehmungen.
Heute weiß ich über Bernard Nowak schon recht viel, jedenfalls für unsere zweijährige Bekanntschaft (ausschließlich durch Briefwechsel), und ich wage zu sagen, dass ich ihn an seinen Taten erkennen kann, d.h. an seinen schöpferischen Aktivitäten. Ich war erstaunt, als sich herausstellte, dass ich sogar das eine oder andere über einen seiner Söhne weiß – Tomasz, der in der Zeitschrift „Twórczość” (Nr. 11-12, 2002) früher debütiert hat als sein.
Vater. Aber nichts von diesem Wissen lässt sich vergleichen mit dem, was der Roman selbst und vor allem die Person seines Narrators über den Autor des „Tanzes…“ aussagt. Bernard Nowaks magischer Roman ist ganz sicher episch in dem Sinne, wie die Epik im modernen Roman in Erscheinung tritt, auch wenn diese Zeit vielleicht künstlerisch präzisiert werden müsste. Der epische Charakter des „Tanzes der Koperwasy“ ist im Prinzip post-proustisch, trotz dieser oder jener früheren, prä-proustischen Elemente. Ich nehme meine in wenigen Sätzen auf dem Umschlag des „Tanzes der Koperwasy“ formulierte Diagnose nicht zurück. Ich beharre auf meinen künstlerischen Assoziationen dieses Romans zur lateinamerikanischen Prosa, zur frühen Prosa von Günter Grass sowie zur polnischen Prosa von Wiesław Myśliwski. Es ist möglich, dass darin prä-proustische Elemente enthalten sind, aber die gibt es auch bei Thomas Mann bis zum zweiten Weltkrieg, bei Maria Dąbrowska in ihrem gesamten Schaffen und natürlich bei vielen verschiedenen Schriftstellern. Die Gestalt des Narrators im „Tanz der Koperwasy“ ist nicht so über- geordnet wie der Narrator des Proust-Zyklus, er dominiert nicht so über allem wie der Narrator von Myśliwskis „Widnokręg” („Der helle Hori-zont“), was auf Verbindungen mit einer älteren Tradition hindeuten kann. Der kognitive Zugang zur Subjektivität der Gestalten der in der dritten Person geführten Narration ist bei Bernard Nowak weder so vollständig wie zum Beispiel bei Faulkner noch so unmittelbar wie im „Doktor Faustus“. Der kognitive Prozess in Bezug auf andere Personen in der in der ersten Person geführten Narration ist nicht so finalisiert oder pointiert wie bei Proust, Iwaszkiewicz oder Myśliwski; das kann schon etwas bedeuten, gleichzeitig aber auch das genaue Gegenteil. Zu solchen Gestalten gibt es im „Tanz der Koperwasy“ weder einen vollständigen noch überhaupt einen unmittelbaren Zugang, und von irgendwelchen Appositionen kann überhaupt nicht die Rede sein, da man hinsichtlich ihres Erkennens bis zum Schluss nichts Definitives erreicht.
Was den Narrator selbst betrifft, so finden wir bei Bernard Nowak ein drastisch limitiertes Wissen. Wir kennen seinen Namen Medard, eine Anspielung an den Namen Bernard, und im Verlauf der dominierenden Narration über die Gemeinschaft der im Titel genannten Koperwasy erkennen wir gleichsam unwillkürlich einige seiner bedeutendsten existentiellen Initiationen, wissen aber gleichzeitig keine der grundlegend-sten Dinge über ihn. Es ist völlig sicher, dass dies mit seinem schrift- stellerischen Programm im Zusammenhang steht, mit bewussten oder instinktiven Grundvoraussetzungen. „Der Tanz der Koperwasy“ soll kein Bekenntnisroman sein und ist es auch nicht, er soll ein epischer Roman sein, d.h. kognitiv in Bezug auf den Anderen, auf den anderen Menschen und die Außenwelt. Der Andere und die Welt sollen nicht die Funktion eines Subjekts sein, sie existieren unabhängig von ihm, und die kognitive Aufgabe eines Subjekts ist es, den (die) anderen Menschen und die Welt und erst auf diese Weise auch sich selbst zu erkennen. Dies würde mehr oder weniger bedeuten, dass das übermächtige Bedürfnis des Narrators Medard nach kognitiver Aktion in Bezug auf die gesamte Außenwelt um den Menschen herum seine Selbsterkenntnis ersetzt oder aber den besten Weg zu ihr darstellt. Diese Frage wird sich wohl nicht lösen lassen, und das ist auch gar nicht nötig. Es genügt das Bewusstsein, dass die Gestalt des mit seinem Erkenntnisbedarf fast identischen Narrators in den heutigen epistemolo- gischen Orientationen beheimatet ist und auch nicht im Widerspruch zu den heutigen Praktiken der Erkenntnis durch Kunst und Artismus steht.
Die Spezifik der kognitiven Praxis durch den Roman zu erfassen ist beim Autor des „Tanzes der Koperwasy“ keineswegs leicht. Der Autor mit einer so bescheidenen Zahl schriftstellerischer Werke geht bei niemandem in die Lehre, alle künstlerischen Assoziationen, die ich erwähnt habe, besitzen ausschließlich annähernde Bedeutung; der Autor folgt keinem ausgetretenen Pfad, er will in allem ganz er selbst sein. Nach der künstlerischen Autonomie des „Tanzes der Koperwasy“ sucht man am besten durch die Spezifik der Beziehung zur Sprache und Stilistik in der Romannarration.
Sprache und Stil der Narration im „Tanz der Koperwasy“ sind so gehalten, als ob sie überhaupt durch nichts Aufmerksamkeit wecken wollten. Hierbei handelt es sich aber nicht um die berüchtigte Sprachtransparenz, die
gewöhnlich mit der gewöhnlichen Umgangssprache in ihrer journalistischen oder pseudointellektuellen Version und mit den abgegriffensten kolloquialen Stereotypen assoziiert wird, welche dann ohne jedweden künstlerischen Vorbedacht auf die Literatur übertragen werden. So etwas gibt es es in Bernard Nowaks Romannarration überhaupt nicht. Keinerlei Spur irgendwelcher Mediensprache, nichts von der heutigen intellektuellen Gespreizt-heit findet sich bei ihm, selbst wenn man mit der Lupe danach suchten würde. Ganz gewöhnliche Worte, grundsätzlich ohne jegliche Charakteri-
stik, transparente und gleichzeitig völlig undurchsichtige Worte, nichts als Geheimnisse in gewöhnlichen Worten. Kunst und vielleicht eben auch Magie beim Entdecken der Mehrdeutigkeit von Worten des alltäglichen Gebrauchs, ohne Inkrustation durch irgendeine der Literatur entstammende stilistische Originalität. Auch wenn die stilistischen Manieren der heutigen Literatur bei diesem Autor nicht zu entdecken sind, nutzt er die Quellen der Sprache und destilliert die Sprache unaufhörlich aus diesen Quellen. In dieser Hinsicht könnte er etwas mit der Sprache von Andrzej Łuczeńczyk gemeinsam haben, denn wie bei ihm soll seine Narration aus notwendigen Worten aufgebaut sein. In der Narration des „Tanzes der Koperwasy“ wiederholen sich Bruchstücke (nie das Ganze) von Aussagen der Gestalten
in unabhängiger Rede, die der Autor zitiert. Aber man weiß nie, welches der zitierten Worte ungewöhnliche Bedeutung gewinnen wird, an welche man sich zu einem unerwarteten Punkt oder Moment der Narration wird erinnern
müssen. Dies bedeutet keineswegs ein intellektu-elles Bilderrätsel wie zum Beispiel in den Narrationen von Teodor Parnicki. Die Geheimnisse und Rätsel völlig gewöhnlicher Worte sind wie Geheimnisse und Rätsel unserer
Nächsten, wenn wir imstande sind, die wichtigen Worte aus den unwichtigen Worten herauszuholen. Wenn wir uns bemühen, die Rätsel und Geheimnisse der uns am nächsten stehenden Menschen zu ergründen, wohl
wissend, dass diese Nächsten ein Rätsel und ein Geheimnis waren, sind und bis zum Schluss bleiben werden, auch wenn wir sie bis an die Grenzen unserer kognitiven Möglichkeiten erkannt haben.
Das ist vielleicht die größte intellektuelle Eigentümlichkeit dieses Romans. Die verborgene, ganz sicher unbeabsichtigte und vielleicht über- haupt unbewusste Verifizierung der Überzeugung, dass die menschlichen Erkenntnismöglichkeiten unüberwindbar gering sind. Natürlich geht es um die Möglichkeiten aller Menschen, eines jeden für sich, um ein Erkennen nach menschlichem Maß, wie es der weiseste aller Menschen in den Worten formuliert hat: Ich weiß, dass ich nichts weiß. Diese seit Jahrtausenden so gedankenlos wiederholten Worte hätten sich in der Narration Merdards nicht
finden können, dem jedliches Imponiergehabe mit Weisheitssprüchen völlig fremd ist. Mit solchen Darbietungen zu brillieren versucht ja heute jeder x-belibige, wozu und auf welcher Grundlage auch immer. Ihm schwebt auf der sogenannten Schwelle des Lebens nicht so sehr der Gedanke als vielmehr das Vorgefühl dessen vor, was er eigentlich möchte und was mit den in all ihrer Alltäglichkeit absonderlichen und vielleicht sogar unzulässigen Worten ausgedrückt wird: „Dass alles, was ich beherrschen, wofür ich die Zeit und die Kraft haben würde, der Versuch bleiben sollte, ein paar Sätze auszusprechen. Wichtige oder unwichtige, darum geht es nicht, aber solche, nach denen ich das Gefühl hätte, dass es mir gelungen war, sie wenigstens zu formulieren.“ Dieses Zitat ist die Hälfte eines Absatzes der
Narration, man müsste eigentlich den ganzen zitieren; vielleicht ist das so etwas wie ein Glaubensbekenntnis, obwohl im „Tanz der Koperwasy“ für so etwas kein Platz ist.
In Medards Narration äußern einige Gestalten (die Hauptperson im Roman – Tante Gienia, deren Schwester Marta, einer ihrer Männer – Kazik, Gienias Schwiegersohn Aloch und der Narrator selbst) unter allen Sätzen, die sie sagen, auch solche, die in ihrem Leben am wichtigsten sind, aber mehr oder weniger so klingen wie die wichtigsten Worte von Kazik, dem konspirativen Helden, Mörder und Selbstmörder: „Ich habe einen Menschen getötet. Das ist meine sehr große Schuld. Was nutzt es schon, dass mich Gienia dazu überredet hat.“ In diesen Worten verbirgt sich die Last seiner
und nicht nur seiner Schuld und Tat, auch wenn das nicht verallgemeinert, nicht symbolisiert wird und dem auch keine übertragenen Sinninhalte verliehen werden, denn man weiß ja, dass das in der Kunst nicht gemacht werden braucht, weil diese ja schon in ihrem Wesen selbst ganz die Allge- meinheit, das Symbol und die Metonymie des einen universellen Seins ist.
Es ist fast unbegreiflich, dass dieses Wesen der Kunst (und der Literatur) geradezu einer speziellen Einweihung bedarf, dass es eine Seltenheit unter den Kunstschaffenden selbst und den sogenannten Kunstkennern darstellt, und dass die wirklich Eingeweihten einander fast im verborgenen erkennen. Dass der Autor des „Tanzes der Koperwasy” eingeweiht ist, steht außer jedem Zweifel. Der Narrator Medard ist ein Schaffender, noch ehe er einer werden konnte; er erfährt die Welt, die anderen Menschen und erlebt seine existentiellen Epiphanien wie ein geborener Schriftsteller. Das heißt, er ist kein Schaffender aus eigener oder fremder Nominierung, sondern aus unabhängiger Prädestination. Er erlebt und empfindet durch Vorstellungskraft, durch physische, sinnliche Erfa- hrung, durch die Sprache und die innere Arbeit in der Sprache. Wie ein Schriftsteller vernimmt er die Sprache bereits, als er noch nicht Lesen und Schreiben gelernt hat, er weiß, ohne zu wissen, dass die Worte existieren wie Sterne am Himmel, wie Himmelskörper in den Räumen des Weltalls,
wie die Menschen auf der Erde in ihrer „unzählbaren Menge”. Wenn man das von Anfang an weiß, wird man auch dann Schriftsteller, wenn man erst in dem Alter einer zu werden beginnt, in dem andere ihre Lust zum Schreiben verlieren. Bernard Nowak ist gerade dies passiert.
Aus dem Polnischen übersetzt von Herbert Ulrich.
Źródło:
Henryk_Bereza Der Tanz der koperwasy_de
Theo Mechtenberg
(tłum.-Übersetzung) Herbert Ulrich
Recenzja
JAROSŁAW CYMERMAN
TANZ DES LEBENS UND DES TODES MIT DER GESCHICHTE IM HINTERGRUND
Das 2003 veröffentlichte Buch „Taniec Koperwasów” von Bernard Nowak ist bereits zu einem wichtigen literarischen Ereignis geworden. Es wurde für gesamtpolnische prestigeträchtige Preise wie den Józef-Mackiewicz-Preis und den „Passport” der Zeitschrift „Polityka” nominiert und erhielt 2004 den Kunstpreis der Stadt Lublin sowie der Lubliner Regionalabteilung des
Polnischen Schriftstellerverbandes. Es mag erstaunen, dass ein so reich mit Lorbeeren überschüttetes Buch unter der Feder eines Autors entstanden ist, der bisher nur ein einziges Werk veröffentlicht hatte – das 1990 im Literarischen Institut in Paris herausgegebene politische Buch „Cztery dni Łazarza” („Die vier Tage des Lazarus”) – und der bisher vor allem mit
seiner Tätigkeit als Verleger in Verbindung gebracht wurde. „Außer seinen intelligenzlerischen Grenzen”, um Jacek Trznadels Worte zu gebrauchen, hat Nowak ein mit ganzer Gewissheit außergewöhnliches Werk geschaffen.
Auf den ersten Blick präsentiert „Der Tanz der Koperwasy” ein suggestives Bild vom Heranwachsen eines Jungen, das in die stürmischen Schicksale der nach dem Krieg als „wiedergewonnen” bezeichneten Gebiete eingeschrieben ist.
Die Familie, das Heranreifen auf dem Hintergrund der Geschichte und den Traditionen einer Region erlaubt es, diesen Roman mit „Gnój” („Mist”) von Wojciech Kuczok in Verbindung zu bringen (hinter dem Nowaks Buch übrigens in der Konkurrenz um den „Passport”-Preis der „Polityka” auf dem Gebiet der Literatur unterlag), in welchem der Autor bemüht war, uns den
Reifeprozess eines jungen Menschen in einer psychopathologischen Familie zu präsentieren und bei dieser Gelegenheit ein Bild der „Konfrontation zweier Schlesienbilder” zu liefern: „das eines proletarischen, vergammelten, und das eines intelligenzlerischen, aristokratischen Schlesiens”. Kuczok gelang zwar das erste, aber das zweite wurde in solch einem Ausmaß von den „Striemen” verdeckt, dass es nicht nur schwerfällt, in „Gnój” diesen Konflikt zu sehen (der dort vor allem auf die Wortgeplänkel zwischen dem alten K. und seiner Frau reduziert bleibt), sondern auch keine irgendeine vertiefte Charakteristik des Lebens dieser Region und ihrer Bewohner. Dagegen verbindet Nowak im „Tanz der Koperwasy” geschickt eine tiefgründige Sicht auf die Prozesse, wie sich der Charakter eines jungen Menschen gestaltete, und die komplizierten Familienverhältnisse mit einem außerordentlich interessanten Blick auf die Geschichte der „Wiedergewonnenen Gebiete” und die hier nach 1945 angesiedelten Menschen.
Die Handlung spielt sich vor allem in Koperwasy ab – einem Ort in der Gegegend von Kwidzyn (früher Marienwerder) und Sztum (Stuhm), der nach 1945 diese Bezeichnung vom Namen der ihn bewohnenden Familie erhielt, als deren Oberhaupt das verkörperte Matriarchat fungiert – die allmächtige Tante Gienia. Der Hauptheld des Romans und zugleich der
Erzähler ist Medard – ein junger Kerl, der während der Besuche bei seinen Verwandten schrittweise die Wahrheit über die Vergangenheit der Koperwasy erfährt. Denn es stellt sich heraus, dass sich hinter dem gewöhnlichen Lauf der Dinge tief verborgene Leidenschaften und Geheimnisse verbergen.
Henryk Bereza sah in Nowaks Buch einen Abglanz der Prosa von Wiesław Myśliwski und des Geistes lateinamerikanischer Romane. Der Autor, der die Grenzen der Wahrscheinlichkeit kein einziges Mal überschreitet, sondern höchstens die Chronologie der Ereignisse verwischt, hat eine Welt der Erinnerungen rekonstruiert, die er gleichzeitig irgendwo außerhalb der Zeit
situierte, in einem universalen Raum, der die konkreten Realien in einen Mythos verwandeln kann. Somit schildert „Der Tanz der Koperwasy” die Geburt einer neuen Welt – die Herausbildung einer neuen Wirklichkeit in
Gebieten, die zum wiederholten Mal in ihrer Geschichte nicht nur ihre staatliche Zugehörigkeit gewechselt, sondern auch einen fast vollständigen Austausch der sie bewohnenden Bevölkerung erlebt haben.
Der Narrator führt die Leser mühsam durch ein Wirrwar von Fakten sowie ständig neuer Vor- und Nachnamen, um zu zeigen, wie in der Familienlegende „das, was magisch ist und unschuldig, unwiederbringlich versiegt” und wie er selbst „den schwierigen Weg von Gut und Böse” beschreitet. Denn es zeigt sich, dass die Titelhelden, die Koperwasy, den Krieg unter anderem durch Schwarzbrennerei und Schleichhandel überlebt haben und dass ihre Vergangenheit mit geheimnisvollen Gräbern gezeichnet ist – das der deutschen Familie Wuttke, das des russischen Leutnants Grischa sowie das der ersten in den „Wiedergewonnenen Gebieten” geborenen Zwillinge, die nicht zufällig die Namen Adam und Eva tragen. Nowak zeigt, wie in diesem seltsamen Tanz Lebender und Toter – Polen, Deutsche, Russen, Flüchtlinge aus den Ostgebieten hinter dem Bug, Partisanen der Heimatarmee, Soldaten der Wehrmacht, Plünderer und „Festiger der Volksmacht” – eine neue Welt entsteht. Der im Alltag fern von diesen Angelegenheiten im Süden Polens lebende Narrator Medard (der mit den Koperwasy über Kurt verwandt ist, einen deutschen Soldaten, welcher mit Gienias Schwester Marta vor den Verfolgungen bis über den Atlantik
geflohen war), lernt in Koperwasy nicht nur den Geschmack erster erotischer Erregungen kennen, sondern wird auch in die komplizierte Welt der Erwachsenen eingeweiht, wo das Böse mit dem Guten und die Wahrheit mit Lügen vermischt ist und wo die Wirklichkeit kaum vom „Komödiantentum” zu unterscheiden ist.
Ein grundsätzliches Phänomen dieses „Komödiantentums” war das rituelle „Sterben” von Tante Gienia – die alljährlichen „Kolomejka-Tänze” und „Polkas”, die sich die Seniorin der Familie regelmäßig leistete, indem sie ihren nahen Tod ankündigte. Dies war nicht nur ein Anlass für Familientreffen, sondern auch für das Abhalten einer Art Mysterium des Lebens und des Todes, welches die Möglichkeit bot, „die Grenze, hinter der alles tödlich und unumkehrbar ist”, zu berühren, ein Gefühl des „Vorgeschmacks dessen, was einst unweigerlich passieren wird und wovon es dann kein Zurück mehr gibt”. Obwohl Tante Gienia auf „wunderbare” Weise immer wieder gesundete, schrumpfte ihr Macht- und Einflussbereich jedesmal mehr zusammen. Ihr schrittweises Sich-Entfernen bedeutete gleichzeitig, dass die alte, vom Krieg gezeichnete Ordnung allmählich Vergangenheit wurde, aber auch eine Rückkehr in die Geleise der gewöhnlichen moralischen Ordnung, deren Repräsentant Aloch ist – der ins Abseits gedrängte Schwiegersohn der Koperwasowa. Diese „Erstarrung” der Welt beraubt sie jedoch zugleich ihres früheren Reizes, ihres magischen Geheimnisses, des Zaubers der Kindheit, nach dem sich der langsam seine Vergangenheit rekonstruierende Narrator sehnt. Den letzten komisch traurigen Akkord der vergehenden Welt bildet der Leichenschmaus, der nach dem Tod von Tante Gienia stattfindet. Denn begleitet wird dieses Totenmahl von einem auf Video aufgenommenen Bild der im Sarg liegenden Nestorin der Familie, und die bei solchen Anlässen traditionell genossenen
Frikadellen, der Wodka, dass Gelächter und Stimmengewirr – all dies macht aus dem Tod eine Art groteske Maskerade. Diese Szene erinnert an einen recht makabren Brauch, wie er angeblich im früheren Ostpreußen existierte und seinerzeit von Melchior Wańkowicz in „Na tropach Smętka” geschildert wurde. Die dort lebenden Masuren sollen den Leichenschmaus damals mit Tänzen begangen haben, noch bevor der Leichnam aus dem Haus getragen wurde. Angeblich kam es sogar vor, dass angeheiterte Trauergäste den Toten hochkant aufstellten, damit dieser die vergnügte Atmosphäre nicht durch
seinen horizontalen Ernst trübte… Im „Tanz der Koperwasy” wurde der Tod, auf den sich Tante Gienia so sorgfältig vorbereitet hatte, seines Geheimnisses und seiner Außergewöhnlichkeit beraubt. Durch die primitive Videoaufnahme wurde er in die Serie früherer „Sterbeveranstaltungen” eingereiht und bildete damit nur noch einen weiteren komödiantischen Familientanz.
Nowaks Buch enthält auch, wie Jacek Trznadel zu Recht bemerkte, „ein gutes Stück polnischer Geschichte von universaler Bedeutung”. Die Galerie gewöhnlicher, aber dennoch sehr charakteristischer Gestalten ermöglicht uns nämlich, die schmerzliche Wahrheit über das menschliche Schicksal und die Geschichte kennenzulernen. Die große Völkerwanderung nach 1945 bewirkte eine Erschütterung der ewigen Ordnung, sie veränderte Grenzen und Namen, und es brauchte Generationen, bis alles wieder in die richtigen Geleise zurückkehrte. Der Ort Koperwasy und seine Bewohner, die die
Achse dieser im Entstehen begriffenen Welt darstellen, sind auf der Suche nach ihrer Identität, fliehen aber gleichzeitig vor der Wahrheit über die Vergangenheit. Nowak entlarvt den Mythos vom Pioniergeist der Nachkriegszeit in den „Wiedergewonnenen Gebieten”. „Hier sollte das Paradies sein”, sagt eine Heldin des Romans „Ziemia Obiecana” („Das Gelobte Land”), „in dem Milch und Honig fließen – so hatten sie uns ermuntert. Das war (…) ein wahres Jammertal. Niemand kannte den anderen, alle hatten Angst vor allen, ein bisschen vor den Deutschen, einige vor den Kaschuben… Die Russen – ein Gesindel so schrecklich wie die Sintflut. Na und wir – auch nicht viel besser – ein Sammelsurium aus ganz Polen. Und dann diese neue Obrigkeit, die NKWD-Leute, die mit ihren Plünderungen gleich aufs Ganze gingen. Kaum war eine Plage vorüber, da begann schon die nächste. Und dann die Staatssicherheit und diese Sekretäre, jeder selbstverständlich mit einer Pistole.” Gleich nach der Erschaffung dieser Welt wurde sie also von der Sintflut und von weiteren Plagen heimgesucht – oder anders gesagt, sie wurde gerade infolge all dieser Missgeschicke geboren; diese bildeten seine eigentliche Genesis. Daher verwundertes nicht, dass der von der aus Amerika gekommenen Marta gefeierte „Fenksgivingdej” bei den Koperwasy grotesk ausfiel und nichts mehr mit dem Erntedankfest amerikanischer Siedler gemein haben konnte. Allzu viel hatten die Helden des „Tanzes…” auf dem Gewissen, als dass sie in Ruhe für die neue Welt hätten danken können. Eben deshalb wandelte sich der „Fenksgivingdej” in den Versuch, den Priester aus Brachlewo auszuhorchen, der ja aufgrund seiner Funktion und als Zeitzeuge von damals bei der eindeutigen Beurteilung der Genese der Koperwasy-Welt hätte helfen sollen. Im kritischen Augenblick verließ ihn jedoch der Mut und alles verblieb wieder im Ungesagten. Eben dieses Unausgesprochene ist ein charakteristischer Zug von Nowaks Buch. Wir lernen weder die Wahrheit über die Geheimnisse der Vergangenheit noch die weiteren Geschicke des Narrators ganz kennen, so als ob uns der Autor sagen wollte, dass die ganze Wahrheit über einen Menschen immer vom Geheimnis verborgen ist.
Zum Schluss erlaube ich mir noch eine persönliche Reflexion. Für mich, der ich im früher deutschen Weichselgebiet geboren wurde, stellte „Der Tanz der Koperwasy” eine besondere Lektüre dar. In der Stadt, aus der ich stamme, überwuchert dasselbe Unkraut sowohl die Gräber der Deutschen als auch die der sowjetischen „Befreier”. Nur manchmal, wenn unerwartet
irgendwelcher Skelette von vor vielen Jahrzehnten aus der Erde ausgegraben werden, wird einem bewusst, dass das Land meiner Kindheit ein Völkerfriedhof ist – von Pruzzen, Polen, Deutschen, Russen. Der Tanz mit dem Tod, wie ihn Tante Gienia veranstaltet, kann daher als eine Art Versuch gewertet werden, sich an eben diesen Gedanken zu gewöhnen;
vielleicht ist er so etwas wie eine rituelle Handlung, die eine Bestätigung ihrer Rechte zum Ziel hat. In dieser meiner persönlichen Perspektive erinnert Nowaks Buch, gleichsam wie das weiter oben erwähnte geheim
nisvolle Skelett, mit den Worten einer der Heldinnen des Romans daran, dass die heute im Ermland, in Masuren und im Weichselgebiet herrschende Eintracht „von der Zeit und vom Tod gemacht” wurden, und dass die
Menschen, die dort lebten, „zusammen mit dem Unrecht in die Erde versunken” sind.
Rezension des Buches Bernard Nowak, Taniec Koperwasów [Der Tanz der Koperwasy]. Verlag „Test”, Lublin 2003, 234 Seiten.
Ubersetzung aus dem Polnischen: Herbert Ulrich
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Marie –
Ein sehr interessantes Buch. Erfolgreicher Kauf, empfehle ich!